Biografie

Vor 100 Jahren, am 8. Dezember 1912, wird Jura Soyfer in Charkow (heutige Ukraine) als Sohn eines jüdischen Industriellen geboren. Nach der Oktoberrevolution flüchten seine Eltern mit den beiden Kindern Jura und Tamara im Jahr 1920 aus Russland. Über Istanbul kommen sie nach Baden und übersiedeln später nach Wien. So wird Wien Jura Soyfers zweite Heimat. In der Familie wird Russisch, Französisch und Deutsch gesprochen, und er entwickelt schnell ein Gespür und eine Vorliebe für Sprache und Sprachspiele.

Schon mit 15 Jahren beginnt Jura Soyfer sozialistische Schriften zu studieren und wird überzeugter Marxist. 1927/28 tritt er dem „Bund sozialistischer Mittelschüler“ bei, schreibt erste Stücke für die Agitpropgruppe „Blaue Blusen“ und wird auch selbst aktiv bei den „Roten Spielern“. Die Weltwirtschaftskrise 1929 und die faschistischen Herrschaftsmethoden der österreichischen Regierung bekämpft Soyfer, der nach seiner Matura am Realgymnasium Hagenmüllergasse im Herbst 1931 an der Wiener Universität Germanistik und Geschichte zu studieren beginnt, durch seine Mitarbeit in der „Akademischen Legion“ innerhalb des „Republikanischen Schutzbundes“. Er wird ständiger Mitarbeiter der „Arbeiter-Zeitung“, wo er in der Rubrik „Zwischenrufe links“ regelmäßig Gedichte, Erzählungen oder Reportagen veröffentlicht. Im „Kuckuck“, der sozialdemokratischen Wochenillustrierten, schreibt er Satiren und Bildgedichte. Jura Soyfer entwickelt sich zu einem Dichter des österreichischen Proletariats – eine Entwicklung, die vor allem in seiner Lyrik zu spüren ist. So berichtet sein Jugendfreund
Mitja Rapoport, dass Soyfer fast für jede Arbeiterdemonstration Losungen und Gedichte verfasst.

Nach der durch die rechte Führung der Sozialdemokratie verursachten Niederlage derselben 1934 schließt sich Jura Soyfer der Kommunistischen Partei Österreichs an. Er beginnt seinen Roman „So starb eine Partei“ zu schreiben, seine journalistische Tätigkeit nimmt er ab 1935 wieder auf, als journalistischer Mitarbeiter beim „Sonntag“, der Beilage des „Wiener Tag“. Im selben Jahr beginnt er seine Mitarbeit im „ABC-Keller“, wo auch sein erstes Mittelstück „Der Weltuntergang“ 1936 mit Leon Askin in der Hauptrolle uraufgeführt wird. Das zweite Stück „Der Lechner Edi schaut ins Paradies“ hat 1937 in der „Literatur am Naschmarkt“ Premiere.

Doch Soyfer wird selbst für die teils subversiven Kellerbühnen zu politisch. Seine weiteren
Stücke, „Astoria“, „Vineta“ und „Broadway-Melody 1492“ kommen ausschließlich im „ABC-Keller“, der politisch schärfsten Bühne, zur Aufführung. In seinen Theaterstücken werden die von den Herrschenden hervorgerufenen Illusionen in Frage gestellt. Sie sind ein Aufruf zu Solidarität und zur Veränderung bestehender Herrschaftsverhältnisse. Nestroyscher Wortwitz und Karl Kraussche Sprachkritik dienen Soyfer als Vorbild. Neben Hórvath und Brecht kann Jura Soyfer als einer der versiertesten Dramatiker der Zwischenkriegszeit bezeichnet werden.

1937 wird er als „Politischer“ vom austrofaschistischen Regime inhaftiert, kommt jedoch auf Grund einer Amnestie am 17. Februar wieder frei. Er befindet sich nur 25 Tage in Freiheit. Nachdem Hitler am 11. März 1938 den Einmarschbefehl deutscher Truppen nach Österreich erteilt und diese einen Tag später von einem großen Teil der österreichischen Bevölkerung mit Jubel empfangen werden, will Soyfer mit seinem Freund Hugo Ebner in die neutrale Schweiz flüchten. Am 13. März versucht er die Grenze auf Schiern bei Gargallen zu überqueren und wird verhaftet. Als Häftling wird er in das Konzentrationslager Dachau deportiert, wo später sein „Dachau-Lied“ entsteht, das als einzige Handschrift aus dieser Zeit erhalten bleibt. Ende September 1938 wird Jura Soyfer in das Konzentrationslager Buchenwald gebracht. Seine auf internationalem Weg erwirkte Entlassung erlebt er nicht mehr. Jura Soyfer stirbt am 16. Februar 1939 im jungen Alter von 26 Jahren an Typhus.